Klar, deutlich, inadäquat

In seiner kleinen Schrift „Betrachtungen über die Erkenntnis, die Wahrheit und die Ideen“ schreibt Leibniz:

Die Erkenntnis ist nun entweder entweder dunkel oder klar; und die klare wiederum entweder verworren oder deutlich; und die deutliche entweder inadäquat oder adäquat und gleichermaßen symbolisch oder intuitiv: Ist sie aber zugleich adäquat und intuitiv, dann ist sie gänzlich vollkommen. Weiterlesen

Vektoren der Entwicklung

  1. Beim Teleologen Aristoteles streben alle nach dem Telos. Und diese Telos ist das Gute. Die, die es nicht machen, den mangelt es an den soft-skills den vorgezeichneten Weg zu gehen. Also so eine Anziehungskraft zwischen uns und dem Telos.
  2. Die Aufklärer feiern Vernunft und freien Willen, brauchen für die Richtung deren Strebens wabbelige Konstrukte (Gott & Co.), von denen sie selber wissen, dass sie weder bewiesen noch widerlegt werden können. Also kraft unseres Willens bringen wir uns an jedem Punkt unserer Bahn auf Kurs.
  3. Den dialektischen Dreisprung machen die menschenfreundlichen Neurobiologen, etwa Gerald Hüther oder Joachim Bauer. Sie meinen nachweisen zu können, dass der Mensch auf gelingende Kooperation präkonditioniert ist. Wer solche Verhältnisse in seiner Kindheit und Jugend nicht erlebt, hat allerdings die Arschkarte gezogen, dem fehlen dann nämlich ein paar Synapsen für die notwendige Empathiefähigkeit. So als ob uns die Evolution in eine bestimmte (und zwar nette) Richtung schießt.

Philosophie als Herrschaftstechnik?

Was bedeutet es, in einem geschlossenen System mit fertigen Begriffen nach vorgegebenen Regeln zu Jonglieren? Ich sehe in „unserem“ System drei eherne Säulen: zweiwertige Logik/Widerspruchsprinzip, die Annahme von a-priori-Fakten & Anthropozentrismus.

Ich schreibe das, weil ich gestern einen Vortrag zum Konzept des Sumak kawsay der indigenen Völker des Andenraumes gehört habe. Dort gab es Hinweise auf das Denken in vorkolonialer Zeit:

  • Es gibt so ein zentrales Konzept „pacha“, das Zeit und Raum enthält. Die Zukunft ist in diesem Denken ein Wieder-Holen der Vergangenheit. Der Referent erinnerte sich an seine Verwirrungen als er mit 6 Jahren Spanisch lernte und damit ein neues „a priori“ aufgedrückt bekam.
  • Es gibt ein Denken in 4 Wahrheitswerten im Sinne einer Tetralektik. Mir fiel sofort das Tetralemma ein. In einem Nebensatz hieß es, dass Aristoteles ein solches Denken verdrängt habe.
  • Schon das Denken des Menschen als Teil der Natur trennt ihn von dieser. Es gibt überhaupt keinen Gegensatz keine Dualität: hier der Mensch – da das Andere die Umwelt, die Natur.

Und was heißt das nun, wenn Kant sagt, wir können nicht zu den Dingen an sich vordringen und sehen unsere Welt durch die apriori-Brille. Kann es sein, das wir durch unsere Art des Philosophierens Teil des Systems sind, das gerade auf eine Singularität zusteuert. Und dann stellt sich raus: an anderen Ecken der Welt gibt es andere Brillen.

Hume

wird mir immer sympathischer:

Die Vernunft ist nur Sklave der Affekte und soll es sein; Sie darf niemals eine andere Funktion beanspruchen, als die, denselben zu dienen und zu gehorchen […]. Es läuft der Vernunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will als einen Ritz an meinem Finger.
Hume: Traktat über die menschliche Natur. II, 3, 3.

Für Hume wäre klar gewesen: Eine Kritik an Kapitalismus, endlosem Wachstum und Umweltzerstörung, die die Unvernunft dieses Tuns anprangert, muss ins Leere laufen, kann zumindest nur ein erster Schritt sein.

Materialistische Auferstehung

Wenn Gott tatsächlich allwissend, allmächtig und ewig ist, ergeben sich völlig neue Möglichkeiten. Mein Tod bedeutet dann das Ende meiner materiellen Existenz. Aber Gott weiß alles über mich, enthält ein vollständiges Abbild meiner Persönlichkeit. Und wenn sein Wille es entscheidet, kann er mich dereinst wieder rekonstruieren. Und zwischendurch war ich nur in Gott.

Das Gute ist Unfug

… wie beim Essen.
Da ist es auch unsinnig nach der einen Universalformel für gutes Essen zu suchen.
Und es gibt Leute, die kochen und essen intuitiv das Richtige. Davon ausgehend, dass es auf der Welt ziemlich unterschiedliche Kochtöpfe gibt, scheint es da auch unterschiedliche Lösungen zu geben.
Und es gibt Leute, die stellen Tabellen auf über Kohlenhydrate, Eiweiße, ungesättigte Fettsäuren, … Die sagen nichts Falsches. Sie können auch erklären, warum die Leute in manchen Gegenden öfters einen Kropf bekommen oder warum manche Menschen keine Milch vertragen. Aber wenn ich nach den Tabellen esse, wird essen zur Wartung einer Maschine.
Das gute Leben ist so vielfältig wie gutes Essen – und genauso einfach bzw. schwer analysierbar. Manche Moralphilosophen erscheinen in diesem Kontext so wie Ernährungsgurus, die eine bestimmte Diät propagieren.

Atheistische Erleuchtung

In der Vorlesung über Gott ging es um die Einfachheit Gottes. Wie in Gott Essenz und Existenz zusammenfallen, wie die unterschiedlichen Gott zugeschriebenen Eigenschaften eigentlich keine unterschiedlichen Eigenschaften seien, sondern nur Facetten des Einen, wie Gott jenseits von Zeit und Raum existiert…

Und der bockige Atheist in mir frohlockte. Dieser hyperabstrakte, transkategoriale Gott verträgt sich prima mit meinem Un-Gott, an den ich glaube: Die Welt existiert und ist kohärent. Mir wurde echt richtig froh ums Herz. Denn die beiden sind wirklich Zwillingsbrüder. Und für einen kurzen Moment konnte ich spüren, dass auch mein Un-Gott allerlei personal interpretierbare Eigenschaften hat. Sehr erfreulich, erlaubt es mir doch diese entdeckte Verwandtschaft, mich auch an den Quellen von Sinn bzw. Spiritualität dieses Gottes zu laben. In dieser Hinsicht ist mein Un-Gott nämlich etwas spröde.
Weiterlesen

Kantiger Buddhismus

In der Auseinandersetzung mit Kant seiner Ablehnung der Existenz als Prädikat eines Dings ging es nochmal um Real- und Nominaldefinitionen. Und da hieß es, dass Menschen in ihrer Endlichkeit zu beschränkt sind ordentliche Realdefinitionen zu handhaben. Sie sind auf Begriffe, auf Nominaldefinitionen angewiesen. Das heißt, wenn Menschen denken, wälzen sie Begriffe hin und her, Begriffe, die nie die Welt in ihrer Komplexität erfassen. Und auch wenn ich über einen bestimmten Menschen nachdenke – und zwar nicht über Sokrates – sondern einen, der mir nahe steht, etwa Frieda. Dann rauscht mir Frieda als Begriff durch die Rübe und diese Begriffsfrieda ist viel weniger als die Frieda, die mir gegenübersitzt und mich ansieht. Und wenn mir diese Differenz nicht bewusst ist, dann ist Stress vorprogrammiert. Ruft fernöstliche Weisheit deshalb aufs meditative Sitzkissen, um die Wirklichkeit hinter dem Denken zu suchen? Setzt sie deshalb Leiden und Denken in eine enge Beziehung?